kritzelndesjuju - MalJuju
MalJuju

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Der Tanz

Der Tanz

Musikempfehlung zu dieser Geschichte: https://foxowlcrow.bandcamp.com/track/coral

--------------------------------------------------------------------- Das Herz schwer von Dornen, den Kopf nicht bei sich, so saß sie da. Ihr Inneres sträubte sich gegen ihre eigenen Beteuerungen, es sei alles gut. Mit tauben Fingern griff sie ihren Schlüssel und lief nach draußen. Atmete durch. Die frische Luft durchflutete ihren Kopf und ihre zusammengezogenen Augenbrauen hoben sich leicht, ließen die Falten von ihrer Stirn verschwinden. Der Himmel war durchzogen von dunklen Wolkenketten, die sich drückend auf die kleine Siedlung niederließen. Ihre Füße trugen sie davon, an den Rand der Stadt, zwischen deren Häusern sie sich eingesperrt fühlte, wie zwischen den Zähnen eines Monstrums, die verfault in die bereits verschwindende Sonne ragten. Dieser Ort, leicht abgeschieden und dennoch die Stadt im Blick, war ihr liebster.

Die von schwarzen Graffitilinien überzogenen Gebilde erstreckten ihre symmetrisch angeordneten Metallstreben über den Boden, wie silbrig glänzende Wurzeln. Mit einer Hand strich sie über die inzwischen goldgelben Gräser, die durch die kühle Brise leicht verschwammen und als Farbfläche einen starken Kontrast gegenüber der düster erscheinenden Wolkendecke bildeten. Vorsichtig streifte sie die Schuhe von ihren nun nackten Füßen, stellte sie auf der Skaterampe ab und ließ sich direkt daneben nieder. Sie holte ihre Kopfhörer aus der Tasche und auf ihrem noch von Sorgen verschleierten Gesicht deutete sich ein leichtes, ehrliches Lächeln an. Der Geschmack der nicht zu warmen Sommerluft vermochte es doch häufig, wenn auch nicht immer, ihr ein wenig Ruhe zu schenken, die ihr Kopf ihr sonst nur in der Gegenwart weniger Menschen ließ.

Sie ließ ihren Oberkörper beim Klang der ersten Akkorde nach hinten fallen, wobei ein kleines Stück ihres nackten Bauches freigelegt wurde. Sie zog den Stoff zurück an seinen Platz und beobachtete die Bilder, die die Musik hinter ihre geschlossenen Augenlider zauberte.

Ein Schauspiel.

Der rote Vorhang wird aufgezogen.

Die Klaviertakte dröhnen durch den gefüllten Saal.

Eine Tänzerin schwebt auf die Bühne.

Langsam beginnt sie, sich zu drehen.

Weitere Personen gesellen sich zu ihrem einsamen Tanz.

Ihre Kleider heben sich sanft und gleiten durch die Luft.

Einer Eingebung folgend, richtete sie sich auf und ließ ihre Füße auf den warmen Asphalt gleiten. Kleine Steine stachen in ihre weiche Fußsohle. Der prickelnde Schmerz zog ihr Bein hoch, doch sie ignorierte das Gefühl und ließ sich von den Tönen in ihren Ohren tragen. Leichtfüßig sprang sie von Note zu Note, schwang ihren Oberkörper herum, richtete sich wieder auf. Die Musik trug sie in eine Drehung, brachte sie in die Höhe und ließ sie sanft wieder auftreffen. Behutsam schloss sie die Augen und ließ die Realität von sich abdriften. Ihre Füße waren das Einzige, was sie noch in der Realität verankerte. Die Höhen des Gesangs trieben ihr Tränen in die Augen, und doch hatte sie das Gefühl von belebender Freiheit. Ein paar rennende Schritte, ein Sprung, Landung, Drehung.

Die Musik endet.

Der Vorhang schließt sich.

Der Traum verebbt.

Ihre Lieder glitten nach oben. Tief sog sie die Sommerluft ein, ließ sich auf dem Boden nieder und warf die Steinchen zwischen ihren Händen hin und her. Glücklich.

Zum ersten Mal an diesem Tag.

  • queenbaddestiny-blog
    queenbaddestiny-blog liked this · 6 years ago

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7 years ago
Uuund Als Erstes: Ein Kleines Fewjar Fanart. Damit Hier Schon Mal Ein Erstes Bild Auftaucht. Ansonsten

Uuund als erstes: ein kleines Fewjar Fanart. Damit hier schon mal ein erstes Bild auftaucht. ansonsten wird das hier eher wie ein digitales Sketchbook.

3 years ago

Erinnerst du dich?

...an den sanften Geruch von Papier?

Altes, nahezu von einer Staubschicht bedeckt, lange nicht das Licht gesehen, doch wie jung und neu, brausend voll Gedanken frei entfesselt und dennoch fest und schwer, trunken von der schwarzen Tinte bis in die letzte Faser.

Neues, reine unberührte Seiten voller Ideen, wie ein frischer Sommerwind, der Geruch von Sonne in der Nase.

Erinnerst du dich...

an das Kratzen einer Feder auf Papier?

Das Gefühl, wenn Tinte in die Fasern dringt, sich dort festsetzt und deinen Verstand umschlingt wenn er zu bersten droht.

Erinnerst du dich...

an die Stille?

Tonleere, die sich auf die Ohren schlägt, der friedliche Rhythmus des eigenen Atems, das Wispern der eigenen Gedanken. Eine zarte Berührung, wie ein noch taufeuchter Grashalm.

Erinnerst du dich?

Schalt um dich herum alles aus.

Horche in die Stille.

Das Knistern von Papier, als du dich schließlich rührst.

Ziehe einen Strich

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Ist er gerade oder zittrig?

Und jetzt?

Erinnerst du dich?


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6 years ago

#d9e81d

Gedanken frei schwebend träge durch die zähe Luft des Sommers Wie Seifenblasen Bunt Instabil Aus Glas An langen Halmen klebend

Gras sich wiegend Bäume sich biegend Träume fliegend Auf und davon

Vom Wind getragen Leicht zerschlagen Ohne zu fragen: "wohin?"

Sterne folgen Steigen aus dem Boden Zerplatzen an spitzem Stein Wie Gedanken in der Sommerhitze


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6 years ago

Blurred reflection - A short story

The girl shook her head, just like the other one did. She held her hand up in the air, right behind her thin skull, slowly twisting her long blond hair. „Be beautiful. Be perfect. Be everyone´s everything.“ The voices had a shivering echo, finding their way through the girls´ heads. The two girls continued posing, letting the bright light flow over their naked bodies. Perfectly rounded breasts, beautiful hips, the two girls carefully turning towards each other. One girl completely mirroring the girl´s movements opposite of her. The girls looked at the stones in their hands.

„Shit.“

The word echoed through the nearly empty swimming hall. One of the girls had a strange glint in her eyes. She blinked away the little teardrop.

„Be perfect!“

The stone looked lightweighted, floating through the air like a feather, before it finally fell down, splittered into the chest of the other girl and sunk in. One of them was dead. One alive. She jumped into the cool water, right behind the little pebble, diving in deeply. No more voices. No more reflections. Just one girl. Without perfection. She looked at her knee. The scar was still able to be seen. Like always. Her little imperfection. Not immaculate. She sunk even deeper, the pressure on her ears getting stronger. No more sounds. Being alone never felt so good. The colours around her faded slowly into black silence. Breathe! Without breath.


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6 years ago

#2e2c38

Wenn sich der graue Nebel lichtet zeigt sich das graue Antlitz der Stadt durchdrungen von Strahlen der Boden hat sie nie gesehen.

Die graue Stadt, die alles verschlingt, Menschen auswringt, stinkend, die Zeit verbringt. Alles wirkt sauber, gekehrt, klinisch rein. Rein fließt beim Regenguss der doch vorhandene Schmutz in den Abfluss, denn in den Abfluss muss, was abfließen muss, der Ruß in einem Fluss aus dem gusseisernen Schlot. "Was ein Stuss!", schreit der Bauarbeiter von der Leiter in den Hall der Straßenschlucht. "Das schaffe ich niemals!" Er klettert die letzten Sprossen hoch und springt. Gefressen von den Häuserschluchten zwischen den Zähnen, entfernt von automatisierten Zahnstochern, die den Boden mit Sorgfalt von den Resten befreien und vorsichtig mit langen Rohren den Staub reimmigrieren. Bevor die Vögel picken.

Lebendabfall nicht erwünscht.

Autos jagen einander rotes Auge sucht weißes Auge dann ein Knall.

Ungerührt dreht sich der Maler um, der im grauen Kittel mit grauer Farbe seine ebenso graue Hauswand streicht. Ein Tropfen rinnt ihm über die Wange, als das Dihydroxid, welches für die vertrockneten Lilien gedacht war, seinen heimatlichen Balkon verlässt und sich über die Stadt ergießt. Der Zwischenraum der Gehsteigplatten saugt wie ein Schwamm, doch es wächst nicht einmal ein Mauerblümchen. Die Parks? Das Wachsfigurenkabinett der Gesellschaft.


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